Es musste irgendwann Ende 1985 gewesen sein. Mein drei Jahre älterer Bruder und ich spielen Tischtennis im obersten Stockwerk des elterlichen Hauses. Wir reden über das bevorstehende Weihnachtsfest. Endlich bekommt mein Bruder ein Floppylaufwerk für seinen C64. Dann sind sie vorbei, die unendlichen Ladezeiten und Spulorgien mit der Datasette. Auf den Kassetten hatten wir viele Spiele. Sehr viele Spiele. Auf eine C60 Kassette passte so einiges, ganz zu schweigen von den C90ern. Vor allem wenn man Turbo Tape benutzte. Die Kassetten waren randvoll mit Spielen, nur wenige haben wir tatsächlich gespielt. Vielmehr wurden Stunden damit verbracht Spiele zu laden, anzuspielen um dann wieder ein Neues zu laden. Eines der wenigen Spiele aus dieser Zeit, an das ich mich erinnere, ist Fort Apocalypse. Alles Weitere ist im Rauschen der schieren Menge an Spielen untergegangen. Die richtig Guten gab es gefühlt auf Diskette, davon waren wir überzeugt. Mir kam es nie in den Sinn, dass Spiele für den Computer Geld kosten könnten. Sie waren einfach da. Irgendwer hatte immer von irgendwo her neue Spiele. Jetzt standen wir an der Tischtennisplatte und philosophierten über die bevorstehende Floppy-Drive.
Ich durfte mit meinen Eltern in den Wertkauf fahren, als sie die VC 1541 kauften und war überzeugt, dass er es nicht wusste. Doch meine Eltern haben ihm bereits im Vorfeld eine 10er Box mit 5,25“ Disketten gekauft – ein cleverer Schachzug. Er konnte zwar sein Weihnachtsgeschenk erahnen, aber gleichzeitig hat sich mein Bruder um neue Spiele gekümmert. Damit kam am Heiligen Abend und den Feiertagen keine Frustration auf. Wir waren beschäftigt. Was ist schon ein Weihnachtsgeschenk wert, das man nicht sofort benutzen kann? Ok, man hätte auch ein Spiel dazu kaufen können. Computer waren für meine Eltern eine unbekannte Welt und sie wussten nicht, was es genau war. Sie wussten aber, dass es etwas war, das einmal wichtig sein wird. Dafür bin ich noch heute unendlich dankbar.
Mit dem Einzug der 1541 in unseren Haushalt begann für mich eine ganz neue Ära der Raubkopien. Im Freundeskreis gab es immer mehr C64-Besitzer, alle von Anfang an mit Floppy. Disketten waren billig, falls man sie überhaupt selbst bezahlt hat. Meist war es ein Mitbringsel der Eltern, wenn sie in den „großen“ Supermarkt gefahren sind. Das erste und wichtigste Werkzeug war ein Diskettenlocher. Damit konnte man die Diskette beidseitig bespielen. Doppelter Speicherplatz, dadurch, dass man eine Einkerbung auf der gegenüberliegenden Seite machte – unglaublich! Speicherplatz war wichtig. Die Spiele kamen weiterhin deutlich schneller zu einem, als man sie spielen konnte. Und sie kamen kostenlos. Winter Games, Summer Games, World Games, Test Drive, Turrican etc. Wir hatten alles – nur keine legal gekauften Spiele. Es folgten Schulhof-Deals und wir haben 5,25“ Disketten im Zehnerpack getauscht. Ich hatte nur zwei echte Originale für den C64: Super Huey und Enduro Racer. Wir waren ahnungslos.
VC1541 Bild Von de:Benutzer:Ratopi – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1566026
[…] Auseinandersetzung mit New Work an, geht über die Überdramatisierung der eScooter bis hin zu 5G. Persönliche Geschichten, die ich schon immer mal in Text fassen wollte, kommen auch nicht zu kurz. Aktuelle Themen wie […]